Jaipur
Die Zugfahrt von Delhi war erstaunlich ruhig und angenehm. Erinnerungen an unsere bisherigen Fahrten durch Russland, die Mongolei und China werden wach - wirklich schade, dass Deutschland
seine Schlafwagen abgeschafft hat. Wir bestellen beim Schaffner ein vegetarisches Curry, dösen etwas und trotz etwas Verspätung erreichen wir nach 7h Fahrt kurz nach Mitternacht unseren ersten
Stop in Rajasthan - die "Pink City Jaipur". Nach viel Diskussion mit den Rikschafahrern, die natürlich wie eine Traube nur um uns herum stehen, gelangen wir irgendwann endlich in unserem Hostel
im muslimischen Viertel. Unten in der Lobby steht der Spruch "Don´t try to make plans in India - India will make plans for you" - wir wussten da noch nicht, wie häufig wir uns an diesen Spruch
zurückerinnern werden.
Nach einem Frühstück auf der Dachterrasse stromern wir los - es ist Sonntag und viele kleine Läden im Zentrum an der Marktstraße haben geschlossen - der Rest versucht uns durchgehend Schals,
Stoffe, Gewürze und andere Dinge anzudrehen. Der berühmte "Palast der Winde" ist leider auch etwas enttäuschend - die Fassade mit ihren 95 Fenstern steht nicht etwa in einer
romantischen kleinen Altstadt, sondern an einer der vielbefahrensten Straßen Jaipurs. Mit einem geschickten Fotowinkel kann man aber einiges "retten" :)
Erneut werden wir angesprochen - diesmal von einem älteren Mann. Er fragt uns, ob wir ihm einen Brief schreiben können - er kann nicht schreiben. "Only 5 minutes". Okay. Geduldig folgen wir ihm,
es stellt sich heraus, dass er einer "Eva" in Stuttgart schreiben möchte, so dass Anja in Deutsch schreiben kann. Der Inhalt ist sehr kitschig im Sinne "meine Gedanken sind jederzeit bei dir -
melde dich schnell, wenn du in Delhi ankommst, ich hole dich vom Flughafen ab und erwarte sehnsüchtig deine Rückkehr" Passanten kommen und gehen, beobachten uns, sind neugierig. Der Mann bleibt
jedoch ernsthaft mit seinem Vorhaben und erst zum Schluss kommen uns leichte Zweifel. Er möchte sich nun natürlich herzlich revanchieren für unsere Hilfe und empfiehlt uns eine Frauen-Kooperative
etwas außerhalb des Trubels, wo Tücher und andere Stoffe fair hergestellt werden. Wir sind jedoch nicht in Shopping-Laune und mögen es nicht, wenn unsere Zeit fremdgeplant wird, daher
verabschieden wir uns höflich aber bestimmt mit der Hoffnung, dass es Eva wirklich gibt und er sich nicht 10min später den gleichen Brief erneut schreiben lässt.
Das Laufen in den Straßen und der Lärm sind anstrengend - wir entscheiden uns für einen Abstecher in das 12 km entfernte "Amber Fort", einer Befestigungsanlage, die uns Kulturbanausen mehrfach
den Atem rauben wird. Wir durchqueren mehrere Tore, entscheiden uns gegen den happigen Palasteintritt für Touristenn und sind wie so häufig, gern gesehene Fotomotive. Der Nachmittag bricht an und
wir möchten zu einem entfernteren Aussichtspunkt laufen - aufgrund eines politischen Besuches dort, ist der jedoch just heute spontan geschlossen worden. Aber Forts und Befestigungsanlagen sind
quasi stets nicht weit und so erkunden wir das Fort zwischen Fort Amber und Fort Narangah, welches Fort Jayagarha heißt. Der Eintritt ist moderater und wenn man von den Guides absieht,
die einen gegen ein Trinkgeld im Eiltempo durch die Anlage führen wollen, ist es wirklich interessant, die Umgebung von hoch oben zu betrachten. Eine große Mauer ist rund um die Stadt Amber
gebaut und erinnert uns stark an die Chinesische Mauer, das Fort Amber ist wohl nie in seiner Geschichte eingenommen worden. Wir gönnen uns, da ja 3. Advent ist, auf einer Befestigungsmauer zwei
Zimtsterne und etwas Stollen, den wir vorher in Delhi in einer Bäckerei entdeckt haben - Indien, du überrascht uns täglich.
Zum Schluss unseres Besuches reihen sich zwei Augenblicke ein, die uns noch lange beschäftigen werden - zunächst ein Schreckmoment, den wir so lange nicht mehr hatten. Wie beobachteten die grauen, langschwänzigen und durchaus nicht kleinen Affen, wie sie auf den Mauern sitzen. Plötzlich fauchen sie und im nächsten Moment rennt einer mit großen Zähnen auf uns zu. Manu versucht auch zu fauchen und sich groß zu machen, während Anja bereits so schnell es geht flüchtet. Der Affe weicht etwas zurück und mit klopfendem Herzen und einem tiefen Schreck entfernen wir uns schnell von ihnen. Ein Affenbiss in die Wade wäre sicherlich mit einer bösen Infektion einhergekommen. Puh. Ausatmen, runterkommen.
Während wir auf den Nachhauseweg überlegen, was wir wo noch in Ruhe Abendessen, bemerken wir eine große Menschenmenge, die an einem geschmückten Fort-Abschnitt isst. Wir werden herbeigewunken und gebeten, uns zu setzen und mit zu essen. Und Indien zeigt sich von seiner tollen Seite - jeden Tag im Dezember werden hier 3.000 bis 4.000 Menschen mit Essen versorgt. Das ganze wird durch Spenden finanziert, ein Guru steht für Lebensfragen bereit und ein kleiner geschmückter Tempel versorgt die religiösen Bedürfnisse. Das Essen ist wirklich fantastisch und durchgehend wird für Nachschub gesorgt. So hocken wir auf dem Boden zwischen ganz unterschiedlichen Menschen und genießen den Augenblick. Selbstverständlich spenden wir später im Tempel auch etwas und erhalten zwei Rosenblüten.
Pushkar
Wir verlassen Jaipur am kommenden Morgen Richtung Pushkar, der zweiten Station unserer Reise. Die Fahrt im Shatapdi Express verwöhnt uns mit einem Tee, Wasser und Keksen, nur der Blick hinaus ist etwas beunruhigend - es regnet. Wir hatten seit vielen Wochen kein Regen mehr. Am Bahnhof dann dasselbe Spiel mit den Rikschafahrern. Da Pushkar keinen direkten Bahnhof hat, steigen wir im 12km entfernten Ajmer aus. Laut unserer bisherigen "Kilometer/Preis"-Erfahrung vermuten wird, dass es etwa 150 Ruppes ( 2 Euro) mit der Rikscha kosten wird - und sind überrascht, dass der Fahrer genau diesen Preis vorschlägt zum "Pushkar Bus Station". Aber mal wieder, liebes Indien, planst du für uns. Er fährt natürlich nicht bis nach Pushkar, sondern nur zur keine 2km entfernten Bus Stationen, wo Busse nach Pushkar abfahren. Schlitzohr. Wir sind sauer, er bekommt 40 Ruppes von uns und wir verschwinden in das Bus-Terminal. Dort steigen wir nach Wartezeit und 3x Nachfragen in einen überfüllten Bus und erreichen nach 1 1/2h dann auch endlich unser Ziel in Pushkar.
Dieses entpuppt sich mit seinen nur 30.000 Einwohnern dann jedoch als wirklich nettes Örtchen mit einem künstlichen See im Zentrum. Das Wasser ist heilig und viele Hindus pilgern nach Pushkar und
baden darin. Nicht-Gläubigen ist der Zugang nicht gestattet und auch Schuhe dürfen direkt in Wassernähe nicht getragen werden. Wir sind etwas überfordert aufgrund der ganzen Tempel und Zugänge
und beobachten das Treiben aus angemessener Entfernung.
Neben dem heiligen See ist Pushkar für seinen Kamelmarkt berühmt - dieser findet im November statt und wir lesen, dass 40.000 Kamele dort gehandelt werden. Was muss das für ein Treiben und mystischer Trubel sein....Am Abend hören wir in den Gassen laute Trompeten und Trommeln. Eine indische Groß-Hochzeit startet, bei der der zukünftige Ehemann stolz auf einem geschmückten weißen Pferd mit allerlei Musik und Trara durch die Gassen Pushkars geführt wird. Ein audiovisueller Reiz für die Sinne. Alle, die möchten, sind eingeladen und erhalten während des Umzugs ein kleines Eis am Stiel von den fleißigen Helfern in die Hand gedrückt, auch wir. Wir merken, dass sich in Indien vieles öffentlich stattfindet und private Ereignisse nicht wie bei uns oft im Verborgenen ablaufen. Wir betrachten unser Outfit und befinden, dass wir uns unwohl fühlen würden bei einer so prächtigen Hochzeit - vielleicht sollten wir doch demnächst mal Stoffe und Tücher erstehen :).
Pushkar überrascht uns vor unserer Abreise noch zweierlei - zum Einen gibt es tatsächlich eine kleine Kabinenseilbahn zu einem Tempel auf einem Berg. Klingt vielleicht etwas komisch für euch Leser, aber wenn man bedenkt, dass die Straßen staubig und Kühe und Kamele vorbeziehen, ist es mehr als überraschend, eine funktionierende Seilbahn vorzufinden. Oben auf dem Berg gibt es erneut einen wunderschönen Sonnenuntergang mit Blick über die so andersartige Landschaft unter uns.
Zum Anderen ist Pushkar für viele Reisende vermutlich ein Ort, wo sie meditieren oder auf andere Sinnsuche gehen - dementsprechend ist auch das kulinarische Angebot. Von einzelnen Pizza-Angeboten über sehr gut indische Thalis bis hin zu sympathischen Falaffel-Verkäufern - Pushkar schafft es bei allem jedoch unanstrengend und überschaubar zu bleiben.
Einer der bisherigen kulinarischen Höhepunkte erreichen wir daher auch hier - es ist selten, dass wir ein Restaurant hier so hervorheben, aber das "Spice and Honey" ist es wert. Die Atmosphäre als heimelig und gemütlich zu beschreiben wäre zwar weit übertrieben, aber das Essen ist so unglaublich spannend und eine wohltuende Abwechslung zu Currys, Reis und Chapati. Hier ein Auszug der Speisekarte und einige Impressionen:
Falls wir später mal eine Fewo oder Ähnliches betreiben und Gäste beherbergen, erinnern wir uns hoffentlich an die Art der kulinarischen Präsentation. Vielen Dank für die Inspiration.
Jodhpur
Der nächste Zug bringt uns in 5 Stunden ins gut 250km entfernte Jodhpur, eine der berühmtesten Königsstädte Rajasthans, auch bekannt als die "blaue Stadt". Die Fahrt ist angenehm unspektakulär,
an einem Stop ersteht Manu draußen auf dem Bahnsteig frittierte, vegetarische Pagodas, während eine Kuh entlang des Zuges läuft und vermutlich auf Essensspenden der Reisenden hofft.
Auf dem Weg zur Unterkunft verlieben uns sofort in diese Stadt mit ihren blauen Fassaden. Unser Hotel gleicht mehr einem kleinem Königspalast mit großer Dachterrasse und direktem Blick über die
Häuser und das hoch über der Stadt trohnende Marangah Fort. In solchen Momenten merken wir, dass unsere Reise durch Rajasthan ein ungewohnter Luxus ist. Ein Kingfischer Bier, gutes Thali mit
leckerem Brot und Curry und eine tolle Aussicht - Jodhpur, wir kommen.
Der letzte Maharadscha von Rajasthan wurde 1947 gekrönt und hat eine Stiftung für Denkmalschutz gegründet, um das Fort Marangah zu erhalten. Die Dynastie der Maharadschas endete 2011 nach 933 Jahren. Den Abend verbringen wir erhöht auf einer der unzähligen Dachterrassen mit tollen Blick auf das Esemble. Jodhpur hat sich wirklich aufgrund seiner Farben und schönen Aussichtspunkte tief in die Herzen gespielt.
Da unser nächster Zug wieder ein Nachtzug ist, verbringen wir noch einen ganzen Tag in Jodhpur - und erliegen nach wenigen Minuten auf dem Markt einem sympathischen Stoff-Verkäufer :). Aus den "only 2min looking" wurden 25min später zwei neue Stofftücher, wovon wir eines als zukünftige Weihnachtstischdecke verwenden werden. Weiterhin gibt es Gewürze, Obst und in mitten allem steht ein Glockenturm. Für den 30sec dauernden Aufstieg erhalten wir ein amtlich ausgedrucktes Ticket und oben erwartet uns Mr. Mohd Igbal, wir nennen ihn mal den "Glöckner von Jodhpur". Er freut sich, sich und das Uhrwerk fotografiert zu wissen und wir erfüllen ihm den Wunsch.
Für ein leckeres Mittagessen gibt es in Jodhpur laut Reiseführer eigentlich nur einen charmanten Ort - den "Omelette-Man".
An einer belebten Straßenecke vor einem Kiosk bereitet er Omelettes zu. Es gibt keine Tische und kein großes TamTam. Früher verkaufte er wohl auch andere Gerichte, aber nachdem ein Zeitungsartikel über ihn berichtete und er quasi über Nacht in mehreren Reiseführern für seine Omelett-Spezialitäten stand, schwenkte er um und verkauft nun ausschließlich Omelettes.
Nicht nur Touristen, sondern auch sehr viele Einheimische setzen sich auf die kleinen Hocker und warten geduldig, bis er seine raffinierten Omelettes der Reihe nach unters Volk bringt - bis zu 1500 Eier werden am Tag hier zubereitet, alles auf einer Gasflamme mit einer Pfanne.
Jaisalmer
Die nächste Nacht verbringen wir erneut im Zug, 6h ins 300km entfernte Jaisalmer, weiter gen Westen Richtung Wüste und pakistanische Grenze. Die Stadt besitzt auch ein Fort, welches jedoch von 3.000 Menschen noch bewohnt ist - es ist eher eine Altstadt. Im direkten Vergleich zu Jodhpur ist es jedoch längst nicht so spannend und mystisch. Es gibt 99 Wehrtürme, mehrere Kanonen, aber ansonsten viele kleine SchnickSchnack-Läden, die das ewig gleiche Gewusel von Stoffen, Bronzefiguren und geschnitzten Dingen anbieten. Reisende und somit auch wir besuchen Jaisalmer jedoch nicht nur aufgrund der Stadt, sondern eher es Ausgangspunkt für Ausflüge in die Wüste ist - und auch wir haben den Weg hier auf uns genommen, um erneut auf Kamelrücken unterwegs zu sein ...Lust auf die Geschichte und noch mehr Rajasthan ? Klick hier :)
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