Beruhigend stellst du fest, dass dein Guide die nächtliche Feierei gut überstanden hat. Er ist wie immer zuvorkommend, lässt sich nichts anmerken und bietet an, am heutigen Tag den Tagesrucksack
zu schultern. Alle Gegenwehr ist zwecklos, vielleicht weiß er mehr von den Strapazen, die es heute gilt zu meistern ? Der heutige Tag steht das erste Mal ganz im Zeichen der Höhenakklimatisation.
Es wird also langsam ernst. Oberhalb von Sama liegt das Manaslu-Basecamp auf 4800m. Alle Expeditionen, die den Gipfel besteigen wollen, starten hier. Aus der Entfernung mit gutem Auge oder einer
langen Brennweite der Kamera kann man erkennen, dass gelbe Expeditionszelte dort oben aufgebaut sind. Es ist vermutlich das Team des berühmten Bergsteigers Hans Kammerlander, der just zu der Zeit
dort oben ein sehr persönliches Filmprojekt über den Manaslu produziert. Er ahnt natürlich nicht, dass die "Normalo-Wanderer" viele Stunden der letzten Abende seine Abenteuer gelesen haben und
nun auf dem Weg Richtung Basislager sind. Wobei bereits zu Beginn sehr rasch klar wird: Höhenakklimatisation funktioniert nur langsam, sehr langsam. Du merkst, wie dein Körper mit dem Höhenmeter
langsamer wird, deine Schritte dich immer weiter anstrengen und du rasch aus der Puste kommst. Die Empfehlung in diesen Höhen lautet : Vorm Schlafengehen nochmal 200-300m höher laufen und bei
ganzen Akklimationstagen gerne auch mal 500 Höhenmeter gewinnen und wieder absteigen. Im heimischen Harz oder in den Alpen lächelt jeder Wanderer über solche Werte - hier entscheiden sie, ob man
gesund und heil seine Wanderng in den nachfolgenden Tagen fortsetzen kann. Dementsprechend kommt beim ersten Mal auch eine große Portion Unsicherheit und ja, man kann es auch Angst nennen hinzu.
An der Stelle bist du wieder froh, dieses Abenteuer mit einem erfahrenen Guide zu bestreiten. Er achtet darauf, dass genügend getrunken wird, entsprechende Pausen eingelegt werden und predigt
stets "slowly slowly". Stunde für Stunde steigst du langsam den kleinen Pfad hinauf, zunächst durch einen kleinen Wald, dann bist du über der Baumgrenze.
Und betrachtest staunend die Welt um dich herum. Die Häuser Samas im Tal werden kleiner und kleiner und direkt vor dir breitet sich der gewaltige Manaslu-Gletscher aus. Vereinzelt hörst du ein kleines Erschüttern - eine Lawine ?
Fest steht, dass diese Umgebung hier ihre eigenen Gesetze macht und der Mensch maximal eine Zuschauerrolle einnimmt. Die Gletscher der Welt tauchen meist in den Nachrichten im Zusammenhang mit dem Klimawechsel auf. Pro Jahr steigt die Durchschnittstemperatur am Manaslu um 0,02 °C und in einer Befragung der Haushalte gaben 94% an, dass es wärmer und feuchter geworden ist. Für den Tourismus hier bedeutet dies zunächst bessere Möglichkeiten, da die Saison bis Ende November/Anfang Dezember verlängert werden kann. Die langfristigen Folgen sind jedoch für jede menschliche Vorstellungskraft nicht abzusehen. Wird der Gletschersee sich vergrößern? Werden diese großen Eismassen zukünftig schmelzen?
All diese Gedanken begleiten dich im Anstieg, während die Wolken über den Manaslu und um den Gipfel ziehen und ihn langsam einhüllen. Die Kekse sind bereits vertilgt, es ist windig und kühl geworden. Das Basecamp befindet sich noch weitere 1 1/2h oberhalb, allerdings entscheidest du mit dem Guide, dass es für den heutigen Tag mehr als ausreicht. Die Höhe wird auf 4.600hm geschätzt und du bist sehr stolz auf das Erreichte. Der Abstieg über den gleichen Weg benötigt 3h bis du wieder am späten Nachmittag unten im Tal in deiner Unterkunft bist. Die Zweifel vom Morgen, wie der Körper die Höhe verträgt sind einem Gefühl von Euphorie gewichen. Der Tag war entscheidend für den weiteren Verlauf und du blickst nun zuversichtlich auf die kommenden Wandertage in der Höhe. Glücklich und zufrieden legst du dich in den Schlafsack, liest noch ein paar Zeilen "vom Kammerlander" und bist froh, nicht tage- oder wochenlang oben in einem Zelt zu liegen. Soll er doch machen :)
Info an euch fleißigen Leser:
Wie es uns die nächsten Tage weiter ergangen ist, ob dieser Tag Höhenakklimatisation gereicht hat und warum wir unfreiwillig nochmal zelten - all dies erfahrt ihr in den nächsten Beiträgen - zum 2. Advent :)
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