Nepals Hauptstadt ist für die meisten ausländischen Besucher, die nicht über den strapaziösen Landweg von/nach Indien oder über die Überlandgrenze von/aus Richtung Tibet kommen, Start und Ziel ihres Aufenthaltes im kleinen Land - so auch für uns (Obwohl uns bis Mitte September noch vage vorschwebte, nach Nepal von Lhasa aus über den Landweg einzureisen - die Chinesen machten einen Strich durch diesen Plan, Tibet wurde Mitte Oktober aufgrund von hohem politischen Besuch für Ausländer für zwei Wochen lang geschlossen. Mit dieser Kundgebung blieb uns nichts anderes übrig, von der Eisenbahn auf einen Eisenvogel umzuschwenken).
Als wir am 22.Oktober in Kathmandu landen und noch ganz beschwingt sind von unserem Panorama-Flug über das Himalayagebirge empfängt uns das Rollfeld mit Sonnenschein. Das Flughafengebäude, ein
altertümliches Gebäude aus roten Backsteinen, ist Anja von ihrer Nepalreise im März/April 2016 noch gut bekannt. Der Unterschied bei der Einreise: Das Visum muss noch beantragt werden. Visa bei
Einreise beantragen erfordert viel Geduld. An einer langen Schlange reihen wir uns mit - offensichtlich in der Überzahl - Wanderfreudigen ein, um die Gebühren von stolzen 100 US-Dollar pro Visum
(gültig für 90 Tage Aufenthalt) zu zahlen und harren aus, bis wir nach gut zwei Stunden die gelbe Quittung in den Händen halten und mit dem ausgefüllten Visumsantrag zum nächsten Beamten
geschickt werden. Ein prüfender Blick, dann zückt er den Stempel und genehmigt die Einreise. Willkommen in Nepal!
Der zugesagte Flughafentransfer vom Hotel versetzt uns (später erklärt man uns, der Fahrer hätte gewartet, jedoch nicht mit der Verzögerung gerechnet), an willigen Taxi-Fahrern mangelt es jedoch nicht. Wir erwischen ein besonders betagtes und schrabbeliges Exemplar, mit dem Fahrer, der kein Englisch spricht, fährt noch sein Neffe (ein intelligenter Bursche, der versucht, uns von den Qualitäten seiner Trekkingagentur zu überzeugen und den Onkel zur richtigen Unterkunft am Rande von Thamel lotst) mit. An Kathmandus Verkehrschaos hat sich nichts verändert - nur in Thamel, dem Touristenviertel, sollen ab übermorgen einige Straßen autofrei werden. Die Vorbereitungen dafür laufen bereits auf Hochtouren. Wir sind froh, dass wir am Zug unserer Ankunft noch bis vor die Haustür des Hotels gefahren werden und uns der Fußweg durch die staubigen Straßen erspart bleibt. In Kathmandu wollen wir erst einmal drei Nächte bleiben und gleich bei Ankunft werden wir zu einem "Nein" gezwungen (die Rezeptionistin bietet uns ein etwas düsteres und unwirtliches Zimmer an, von dem wir morgen in ein besseres wechseln könnten) und siehe da: WIr werden in einem der großen und lichtdurchfluteten Eckzimmer mit Balkon untergebracht, in dem wir uns wohl und mit Sofa, Kühlschrank, Tisch und Wasserkocher fast ein bisschen heimelig fühlen.
Wir verschaffen uns in den kommenden zwei Tagen einen Überblick darüber, wie wir unseren geplante Trekkingtour gestalten, statten uns mit fehlenden hochwertigen Ausrüstungsgegenständen aus und genießen - nach der chinesischen Nudelküche -nun wieder Brot in Form von Chapatis, Naan und Toast, indische Massalas und Curries, Kuchen und Quiche sowie Momos - die nepalesisch/tibetische Variante von Raviolis. Am vierten Tag steigen wir in einen Minibus und verlassen die Millionenstadt in Richtung Pokhara; 39 Tage später spuckt uns ein eben solcher wieder in der Hauptstadt aus. Die letzten Tage verbringen wir geruhsam auf der Dachterrasse unseres Hostels, schreiben Berggeschichten und konsumieren Kultur in Form von Stupas, Tempeln und geschichtsträchtigen Königsstädten.
Unsere persönlichen Hauptstadterlebnisse*:
Unter dem Auge Buddhas - Bodnath und Swayambhunath Stupa
Diese beiden mächtigen Stupas sind es unbedingt wert, einen Nachmittag (mit einbrechender Dunkelheit) oder frühen Vormittag (idealerweise zum Sonnenaufgang) dort zu verbringen und das Treiben und die Lichtstimmungen zu beobachten. Die Stupa Swayambhunath thront hoch über der Stadt und ist von Thamel aus in einem ca. 45-minütigen Spaziergang zu erreichen. Die Bodnath-Stupa liegt im tibetischen Stadtteil von Kathmandu (4 km von Thamel - am besten mit einem Taxi hinfahren). Beide Stupas werden vor allem nachmittags von unzähligen Gläubigen aufgesucht, die die Stupas im Uhrzeigersinn umrunden und die Gebetsmühlen in Bewegung versetzten. Ein wunderbares Schauspiel. Während in Bodnath die tibetischen Mönche in der Überzahl sind, sind es im Swayambhunath die frechen Affen, die sich das Heiligtum zu eigen gemacht haben.
Kathmandus Altstadt
Die Gassen zwischen Durbar Square und Thamel gleichen einen einzigen großen Markt. Überall, wo es nur irgendwie möglich ist, wird verkauft, gefeilscht, Ware preisgeboten und Dienstleistungen angeboten. Obst, Gemüse, Haushaltswaren, Schuhe, Flöten, Saris, Decken und Gewürze stapeln sich in den kleinen Läden bis unter die Decken. Es ist ein Augenschmaus, all die Farben und die Vielfalt zu beobachten. Achtung: Zu langes Schlendern und Beobachten kann Reizüberflutungen auslösen. ;-)
Entspannen auf der Dachterrasse
Viele Unterkünfte und Restaurants verfügen über eine Aussichtsterasse. Wir lieben es, das Treiben von oben zu beobachten, in die Ferne zu schauen, Sonnenauf- und untergänge zu beobachten und einfach draußen zu sitzen. Mit etwas Glück zeigen sich die schneebecketen Gipfel. Auch wenn der Dunst zu dicht ist und die Berge hinter einer Nebelwand verschwinden, dann gibt es immer etwas zu sehen: Den Nachbarn, der sein Haus mit Ziegelsteinen um ein Stockwerk erhöht und wagemutig ohne Sicherung auf der eben neu errichteten Mauer balanciert; die Frau, die ihre frisch gewaschenen bunten Saris aufhängt; den Dickbäuchigen, der morgens eine Tasse Tee schlürft; die fliegenden Händler, die mit allerlei Nützlichem und Unnützem auf der Suche nach neuen Besitzern der angepriesenen Waren sind; pausierende Rikschafahrer, die in ihren altertümlichen Gefährten schlafen; das Häusermeer.
Handgemacht - Naan-Brot-Öfen, Momos und idyllisches Gartenrestaurant
In Kathmandu fällt es dem sich nach Hause sehnenden Reisenden leicht, seine Gelüste zu befriedigen. Doch neben den Holzofenpizzerias, Bäckereien und Falafel-Buden gibt es kulinarisch noch so viel
mehr zu entdecken: Mit Holz befeuerte Naan-Brot-Öfen; große Dampfgarer für unterschiedlichst gefüllte Momos; kleine, sich in Familienbetrieb befindende Lokale, die hervorragende Curries zaubern.
Die Verlockungen nach wohl Bekanntem in Thamel und Umgebung sind groß, aber es lohnt sich, auch mal etwas Einfacheres auszuprobieren.
Am ersten und am letzten Abend auf nepalesischem Boden haben wir uns ein Abendessen im Gartenlokal GAIA gegönnt. Anja kannte dieses von ihrer letzten Reise uns schwärmte schon in China von
dem Paneer Tikka Massala (Käse in würziger dicker Soße), den frischen Salaten und der hausgemachten Minzlimonade. Im GAIA haben wir das erste Mal seit sehr sehr langer Zeit wieder mal ein Stück
Fleisch gegessen: Gegrilltes Hühnchen in Kräutermarinade mit frischen Tomatenrelish und Ofenkartoffeln. Unser Gaumen fühlte sich für 20 Minuten ins Mediterrane versetzt.
Ausflug nach Bhaktapur
Nur gut 10 Kilometer entfernt von Kathmandu liegt die unter Denkmalschutz stehende Kleinstadt Bhaktapur, die für ihre Handwerkskünste, Tempel und Pagoden, den Königsplatz und die aus rotem Backstein und filligran geschnitzen Fensterläden bekannt ist. Obwohl viele Gebäude, Straßenzüge und Viertel erheblich durch das Erdbeben geschädigt wurden und die Bewohner überall am Werkeln und Bauen zu sein scheinen, hat uns der rund 24-stündige Aufenthalt gut gefallen. Bhaktapur ist gerade groß genug, dass sich zum Besuch ein ausgedehntes Mittagessen auf einer Dachterrasse, ein (Foto)Bummel am Nachmittag, Sonnenuntergang bei einem Tee beobachten, ausspannen, Abendessen, zeitig zu Bett gehen, ein Morgenspaziergang am nächsten Tag und ausgiebiges frühstücken anbieten - alles in aller Ruhe und ohne das Gefühl, man müsste sich beeilen. In den Straßen und Gassen im Stadtzentrum sind überschaubar viele Zweiräder unterwegs - wie angenehm! In Bhaktapur ist es tatsächlich möglich, entpannt zu Fuß unterwegs zu sein, ohne ständig angehupt zu werden. Die Menschen sind zurückhaltend, aber freundlich. Wir sind überrascht über den jungen Souvenirverkäufer, der uns in ein Gespräch über die am übernächten Tag anstehenden Wahlen involviert und mit keiner Silbe versucht, uns zu überzeugen, dass wir doch seine Ware (wie immer in "good quality") erstehen sollten. Auf dem Töpferplatz werden handgeformte Vasen und Kübel angeboten. Wir beobachten die Männer bei ihrem Handwerk - einer körperlich schweren Arbeit. Der Ton liegt vor dem Arbeitsplatz der Männer auf einem Haufen am Straßenrand, ein kleiner Nepali bereitet den Ton zum Verarbeiten auf, ein Zweiter sitzt an einer manuell mit den Füßen betriebenen Töpferscheibe und formt mit Hingabe eine Vase. Die in Handarbeit gefertigten Exponate stehen dann für 1-2 Euro zum Verkauf. Handarbeit in Ländern wie Nepal ist erschreckend günstig. Kulinarisch ist Bhaktapur für den aus Büffelmilch hergestellten Yoghurt (King of Curd) berühmt. Dick, cremig, süß und ein Genuss ist der in Tonschälchen in Kioskläden verkaufte Yoghurt. Mit einbrechender Dunkelheit werden in Bhaktapur recht schnell die Bürgersteige hochgeklappt und die Stadt liegt im Finsteren. Für ein stimmungsvolles Lichtkonzept an Tempeln und Pagoden gibt es nicht genügend Strom.
Freie Fahrt am Wahltag
Normalerweise dauert jede Fahrt aufgrund der unzähligen motorisierten und knatternden Verkehrsteilnehmer lange. Vertraue auf deinen Fahrer und seine Fahrkünste und du wirst an dein Ziel kommen. Mach dir keine Gedanke über die nicht vorhandenen Verkehrs- und Vorfahrtsregeln - er wird schon wissen, was er zu hat, damit sein Fahrzeug noch für weitere Lichtjahre durch die Schlaglöcher poltern und er sich ein paar Rupien dazuverdienen kann. Der Verkehr in Kathmandu ist asiatischer Wahnsinn. Nicht so am Wahltag (unser Abreisetag) dem 07. Dezember. Heute wird die neue Regierung gewählt und allen motorisierten Zwei-, Drei- und Vierrädern ist es untersagt, die Straßen zu bevölkern. Lediglich Politiker und ihr Begleitschutz, Polizei, Armee und autorisierte Fahrzeuge haben heute das Recht, über die verwaisten Straßen zu fegen. Wir genießen diesen kleinen Luxus in einem privaten Shuttle, der uns in wenigen Minuten zum Flughafen bringt. Ganz ohne Hupen, Fluchen und sich vorbei und durchschlängeln. Wie ungewöhnlich sich dieser Abschied von den Straßen Kathmandus doch anfühlt ... wir werden ein bisschen wehmütig, denn nun dauert es nicht mehr lange, bis wir das kleine Land verlassen und zu seinem großen Nachbarn Indien aufbrechen.
*Darüber hinaus gibt es in und um Kathmandu unzählige weitere Ziele (Tempel, Klöster, nahe gelegene Gebiete zum Wandern), die einen Ausflug lohnen. Bei allen Vorhaben empfehlen wir zu bedenken: Kathmandu ist eine chaotische, laute Stadt, die alle Sinne fordert und mitunter sehr anstrengend sein kann. Hupen, Verkehrschaos, Staub, Abgase, Müll - nicht zu viel vornehmen und lieber ein Pause mehr einplanen, um all die Eindrücke zu verarbeiten.
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