Nach unserer aufregenden Fahrrad-Zelt-Tour entschieden wir, uns für die großen Distanzen in die Hände eines Touranbieters zu begeben und eine Gruppenreise zu buchen. Nach kurzer Recherche entschieden wir uns für "Sunpath Mongolia", wobei sich die klassischen Tourverläufe aller Touranbieter (zumindest auf den ersten Blick und für Mongolei-Neulinge) nicht wirklich unterscheiden und manchmal zählt und überzeigt ja auch der erste Eindruck. Die Tatsachen, dass wir zwei Landesteile, die Gobi und die Zentralmongolei auf einer Tour ohne Zwischenstop in Ulan-Bator miteinander verknüpfen können und wir direkt im Anschluß mit dem Zug gen Peking weiterreisen werden, trugen maßgeblich zur Entscheidung bei.
Spanien, Argentinien, Polen, Thailand, England, Norwegen, Belgien und Deutschland - dies sind nicht die Achtelfinalpartien der Fußball-WM, sondern der Mix unserer internationalen Reisegruppe.
Manche fahren 6 Tage, manche 7, manche 10 und manche mit uns die 11 Tage - die Systematik dahinter bleibt ein Rätsel des Touranbieters und führt zu reichlich Chaos, aber am Ende erhalten alle das
Programm, was mehr oder weniger gebucht wurde.
Manu erinnert es an seine Studienexkursionen und wir beide schauen in den kommenden Tagen als ehemalige Tourguides wieder mit geschärftem Blick auf die Dinge... freuen uns jedoch auch
darauf, uns vorerst um nichts kümmern zu müssen, nichts zu organisieren und durch die Landschaft gefahren zu werden.
Wir verlassen Ulan-Bator am 12. September mit Neugier und Lust auf neue, weite Landschaften. Nun sind wir schon seit gut zwei Wochen in der Mongolei und haben uns von der Hauptstadt geographisch noch nicht allzu weit wegbewegt. Die Tour ermöglicht es uns, das Land der Nomaden in seiner Weite zu erfahren, welches viermal so groß wie Deutschland ist, die geringste Bevölkerungsdichte der Welt aufweist und nur über wenige Hundert Kilometer asphaltierte Straße verfügt.
Und wir werden nicht enttäuscht - jeden Tag überrascht uns die Mongolei mit kleinen und großen Glücksmomenten:
Leben mit der Sonne.
Raus aus den Betten zum Sonnenaufgang und hinein in die Jurten nach Sonnenuntergang. Das warme Licht, die frühen morgendlichen Sonnenstrahlen in der oft klirrend kalten Luft und die letzten Strahlen am Abend verzaubern uns Tag um Tag ...
Imposante Gesteinsformationen.
Vor der Reise in Richtung Gobi-Wüste und in die Zentralmongolei hatten wir noch nie etwas von ihnen gehört, aber sie können es doch mit manchen Landschaftsformen in Australien oder USA aufnehmen: "White Stupa" und das "Flaming Cliff" (WOW!) beeindrucken uns im Abendlicht und stehen touristisch erst am Anfang ihrer Blüte. Die üblicherweise selbst im Sommer dick vereiste Geierschlucht "Yolin Am", in der sich auch Schneeleoparden tummeln sollen, war leider nicht mehr vereist (Klimawandel :( ?), aber konnte uns mit ihrer Klamm dennoch faszinieren. Insgesamt haben solche geologische Highlights nicht in unserem vorherigen Bild der Mongolei, welches aus grünen Ebenen, Jurten und Dünen bestand erwartet.
Sonnenuntergang auf der Sanddüne.
Es ist einer der schönsten Sonnenuntergänge, die wir gemeinsam erlebt haben. Die Mühe, die 180-Meter hohe Sandüne Khongor Els zu erklimmen (1 Schritt vorwärts, einen halben zurück) hat sich gelohnt, auch wenn man innerlich zwischendurch ans Aufgeben dachte. Wir schwitzen und setzen einen Fuß vor den anderen. Stetig und beständig. Der Schweiß rinnt. Sahen die hinaufkletternden Menschen von unten noch aus wie Ameisen, so sehen nach gut 45 Minuten unsere Jeeps so aus. Wir haben es fast geschafft. Nur noch ein paar Meter. Die Sonnenstrahlen blinzeln schon über den Dünenkamm. Wir haben es geschafft und lassen uns in den Sand fallen. Sind atem- und sprachlos. So haben wir uns die Wüste-Gobi* vorgestellt (auch wenn Experten-Nerds wissen, dass nur 3% der Go i eine Sandwüste ist). Kleine und große Dünen, der Sand in ein warmes Licht getaucht. Schattenspiele durch die untergehende Sonne. Wir öffnen zwei Dosen Bier und stoßen an. Auf uns. Auf das Leben. Auf den Moment und auf alles, was noch kommt.
Goldener Herbst am erloschenen Khongor-Vulkan.
Die gelben Lärchen und das schwarze Lavagestein bilden einen hervoragende Kontrast. Wir erklimmen den Rand des Vulkanes und umwandern den Krater auf einem schmalen Pfad. Traumhaft schön!
Die erste geschlossene Schneedecke.
Schon am Nachmittag hat sich der Wetterwechsel mit heftigem Wind angekündigt und dicke, dunkle und bedrohliche Wolken waberten über den White Lake. Dann setzte der Regen ein. Und später grieselten die ersten Schneeflocken auf unsere Jurte. Wir feuerten den kleinen Ofen ordentlich an und legten bis spät in die Nacht immer wieder Holz nach, um möglichst lange warm zu bleiben. Als am nächsten Morgen an die niedrige Holztür geklopft wurde und der Campvater (eingepackt in langen Mantel) sich ankündigte, um das Öfchen wieder zu entfachen, da blickten wir - eingemummelt in unsere Schlafsäcke - direkt hinaus in das weiße Winterwunderland. Ganz aufgeregt und glücklich.
Ein Bad in den heißen Quellen.
Bei Sonnenschein am Nachmittag und bei klirrender Kälte und Frost am späten Abend. Beides hat seinen Reiz, letzteres lässt unsere Körper beim Auftauchen jedoch deutlich stärker bibbern. Der
Winter hält langsam aber sicher Einzug.
Unsere Fahrer und ihre russischen Allradbusse.
Chapeau für die Leistung, die die Jungs mit den Fahrzeugen vollbracht haben. Sie fahren stundenlang auf ruppeligen Pisten und löchrigen Asphaltschlangen. Fast immer hoch konzentriert. Bringen uns
von A nach B. Und schrauben, tüfteln und reparieren. Manchmal unterwegs, meist auch nach Ankunft. Unser Pedro ist ein Meister seines Werkes: Jeden zweiten Tag gilt es schon unterwegs, mechanisch
tätig zu werden: Auspuff, Motor - mal liegt er unter dem Auto, mal werkelt er im Motorraum herum. Und wenn wir das Tagesziel erreicht haben, dann wird das Auto noch geputzt... Unser Wunsch nach
dem "Selbst mobil sein" wird wieder angefacht - wohl mit dem Wissen, dass wir selbst (noch) keine Mechaniker sind.
Gleichgesinnte.
In der bunt zusammengewürfelten Reisegruppe treffen wir auf Menschen, die uns sehr ähnlich sind und denen wir nicht erklären müssen, warum wir uns auf diese Reise begeben haben: Nick und Yasmine
aus Berlin sind ebenfalls auf großer Reise mit der Transsib, haben ihre Jobs gekündigt und planen, im Frühjahr nächsten Jahres wieder nach Hause zu kommen. Beim Abschied verabreden wir uns für
Peking. Auf ein Bier oder zwei. [Einschub: Es hat geklappt in Peking und es war herrlich erfrischend - bis bald! ] Vielleicht ergibt sich auch die Gelegenheit zu einer gemeinsamen Aktivität - der
gedankliche Atlas liegt vor uns und die Wege dürfen sich noch gerne mehrfach kreuzen. Toon aus Belgien reist ebenfalls mit der Transsib. Er hat sich etwa zwei Jahre freigeschaufelt, um den
asiatischen Kontinent auf dem Landweg zu durchqueren und irgendwann in Neuseeland zu arbeiten. Eine Freundin, Sofie, begleitet ihn für drei Wochen durch die Mongolei. Sofie lädt uns ein, mal nach
Belgien zu kommen - vielleicht zum Finale der "Tour de Flandre" Immer am 1. April findet dann in ihrem Heimatort ein großes Volksfest statt. Wir fassen 2019 ins Auge. Toon schmunzelt. Vielleicht
wird es auch erst 2020. Die Welt ist groß.
Den Schafen beim Blöken und den Yaks beim Grasen zuhören. Erdet und lässt uns alle MP3-Player und Smartphones dieser Welt vergessen.
Hausgemachte mongolische Nudeln.
Ein Prise Italien hält in der Küchenjurte Einzug als die Hausherrin (meist haben wir in kleinen Jurtencamps der Nomadenfamilien übernachtet) die selbst gemachten Nudeln in den großen Tiegel über dem Feuer schwenkt und das Abendessen zubereitet. Mongolische Nudeln erinnern an Bandnudeln. Nur sind nicht alle gleich breit und so akkurat geschnitten. Hausgemacht eben. Hausgemacht sind auch die mogolischen Pfannkuchen, die uns unverhofft und überraschend an unserem freien Nachmittag in die Jurte (das war der Nachmittag, bevor es zu schneien begann) gebracht wurden. Jammie.
Ein funkelndes Himmelszelt und die Milchstraße.
Wir haben mit offenen Mündern einfach nur gestaunt und die Sternschnuppen gezählt - während unser Mitreisender "Big" aus Thailand mit professioneller Fototausstattung einen anderen Fokus auf dieses Naturspektakel hatte. Danke für diese tolle Aufnahme und deine Geduld.
So romantisch sich all das vom Sofa oder Schreibtisch aus lesen mag ... die Mongolei ist kein Land für zart besaitete Reisende, die es gerne gemütlich und und rundum sorglos haben. Die folgenden Aspekte werden wir nicht vermissen, so gerne wir auch an die Tage in Einsamkeit und Weite zurückdenken (vielleicht liegäugelt ja der eine oder andere unter euch auch mit einer Reise ins Land der Nomaden):
- Pisten, Schlaglöcher, auf unbestimmte Zeit Hin- und Hergeschaukelt zu werden. Gefühlt sind wir hunderte von Kilometern durch Split- und Schotterwüste gefahren - mal mit hundert Kilometern pro Stunde, mal in Schrittgeschwindigkeit. Regelmäßig wurden unsere Mägen durchgerüttelt und durcheinander gebracht.
- Fehlende Kommunikationsmöglichkeiten mit den Einheimischen, Crew, Fahrer und Koch. Mongolisch ist eine schwere Sprache. Schnalz- und Zischlaute, die für Europäer kaum zu deuten und auch nicht wieder zu erkennen sind und die an Türkisch erinnern. Leider hat unsere Reiseleiterin nicht aktiv den Part des Übersetzens übernommen, sodass wenig bis keine Kommunikation möglich war. Finden wir persönlich schade, da jeder einzelne von unseren Tourbegleitern zu unserem Mongolei-Erleben beigetragen hat.
- Betten mit Stoff-bespannten "Matratzen" aus Holzplanken. Jurten sind gemütliche Häuschen, aber an Schlafkomfort hat es uns manchmal ein klitzekleines bisschen gefehlt. Wer bekommt das weicheste Bett? Eine Frage, der wir uns jeden Abend von Neuem gestellt haben. Sternenhimmel, Romantik, Abgeschiedenheit haben das fehlende Weich wettgemacht - dennoch freuen wir uns wieder auf "richtige" Betten.
- Plumpsklos in der Steppe. Eine Verschlag mit Holzplanken über einer zumeist tiefen Grube - manchmal eine Tür. Manchmal auch nicht. Meist aber mit Weitblick - man wird genügsam und da man nichts berührt, ists auch halbwegs hygienisch.
- Fließend Wasser. Duschen, Hände und Gesicht waschen gewinnt wieder ungemein an Wert. Die erste Duschmöglichkeit am Tag 4 der Tour in einem mongolischen Badehaus in einem kleinen staubigen Örtchen haben alle Teilnehmer der Tour genossen. Für Paare gab es sogar eine Doppeldusche.
- Wind. Wenn es aus dem lauen SteppenLüftchen ein Wind (meist Abends) aufzog, wurde es sehr rasch eisig.
- Traditionelle mongolische Küche. Viel Fleisch (keine Mahlzeit ohne Fleisch) - in allen Variationen mit Knochen, Fett und Undefinierbarem. An dem Nationalgetränk Airag (vergorene Stutenmilch) haben wir nur einmal genippt und dann höflich das Schälchen weitergereicht. Wohl bekomm's dem Nächsten im Reigen. Man darf jedoch an dieser Stelle positiv erwähnen, dass es durchaus auch vegetarische Kost auf der Tour gab - meist gebratene Nudeln mit Kartoffeln als Gemüse oder Suppe. Unser Touranbieter verstand unter vegetarisch auch "unbedingt mit Tofu", was wir ihm leider bis zum letzten Tag nicht austreiben konnten.
- Mongolische Tugriks. Viele Scheine, wenig Wert, was auf Dauer etwas nervt. Die kleinste Banknote (10 Tugrik) hat umgerechnet gerade mal einen Wert von 0,3 Cent - was kostet eigentlich eine Packung Tempo-Taschentücher in Deutschland ? Die größte Banknote (20.000 Tugrik) entspricht etwa sieben Euro. So haben wir vermeintlich dicke Geldbündel dabei, die aber eigentlich so gut wie nichts wert sind. Einmal im Leben Multi-Millionär sein: in der Mongolei ist's möglich! ;-)
Unser Fazit:
Die Tour hat sich in Summe für uns gelohnt, auch wenn die letzten Spiegelstriche nicht ganz den Anschein erweckten. Als die Freiheit liebende Individualreisende haben wir einen ganz persönlichen Blick auf "Gruppenreisen".
Rückblickend empfehlen wir eine solche Tour. Wenn im Budget vorhanden und zeitlich machbar, dann sollte man mit dem Touranbieter eine kleinere Gruppe mit mehr individuellen Stops und Weges-Varianten vereinbaren.
Wenn man bedenkt, dass die Spannweite zwischen 60 USD/Tag/Person (unsere Tour) und weit über 100 USD/Tag/Person liegen, war das gebotene All-Inclusive-Angebot gut. Individuell hätten wir die Strecken nicht in der Zeit befahren können und wären vermutlich auf mancher Piste stecken geblieben.
Die Landschaftsformen und die Begegnungen mit den Menschen bleiben uns in Erinnerung. Danke Mongolei !
Verlauf der Tour: Ulan-Bator - White Stupa - Yolin Am - Khongor Els - Flaming Cliffs - Oongi-Kloster - Kharakorum - Hot Springs - White Lake - NP (Pferde/Steine/Düne)
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