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Athen - Stadtspaziergänge im Frühling

Unsere Tage im kontrastreichen Athen liegen hinter uns. Wir beide kennen zusammen fast alle Hauptstädte Europas, Athen hatte sich irgendwie lange Zeit nicht ergeben und überraschte nun mehrfach. Aber der Reihe nach:


Anjas Eltern kommen pünktlich mit dem Flieger und wir staunen nicht schlecht, als sie in unserer Unterkunft abends vorfuhren - sie benötigen gleich zwei Taxen vom Flughafen. Nein, nicht das gute Bordmenü von Easyjet ist dafür verantwortlich, sondern schlicht Anjas Fahrrad. Gut verpackt in einem großen, okay, einem sehr großen Karton, passte es einfach nicht in "normale" Taxen am Flughafen. So fuhr ein Taxi mit Anjas Fahrrad und ein Taxi mit Anjas Eltern den etwa 20km langen Weg zu uns. Selbstverständlich freuten sich die beiden Taxifahrer über das gute Geschäft.


Wir verfrachten alle Gepäckstücke nach oben und insbesondere für Anja fühlt es sich noch etwas ungewohnt an, nach so vielen Monaten nun Ihre Eltern leibhaftig vor sich zu haben. Nach einem zünftigen Abendessen schlafen wir fix, denn wartet Athen mit seinen Abenteuern auf uns vier.

Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm und so ist es für Manu nicht verwunderlich, dass Anjas Papa mehrere Reiseführer und Karten über Athen aus dem Gepäck zaubert. An dieser Stelle eine klare Empfehlung für den Athen-Reiseführer aus dem Hause "Dumont direkt". Wir haben noch nie solch einen spritzig geschriebenen und informativen Reiseführer in den Händen gehalten. Chapeau Dumont und an Klaus Böting, einem Athenkenner.

Wir folgen Ihm auf seinem "Grünen Stadtspaziergang" vom Thisio-Platz über die Sternwarte hin zum Pnyx, der Stätte der antiken Athener Volksversammlungen. Frauen waren hier übrigens nicht zugelassen.

Es geht weiter zum schon von weiten gut erkennbaren Philopáppos-Hügel und wir sind überwältigt von der 360° Aussicht, die sich uns bietet - im Süden das Meer, nördlich von uns die Akropolis und ringsherum ein Meer von Häusern. Wir sind mitten in Athen und doch fühlt es sich an wie auf dem Land. Der Frühling lässt überall diverse Blumensorten aufblühen, die Anjas Mutter zu 95% ordnungsgemäß bestimmen kann. Auch hier merkt Manu schnell, woher Anja ihr Faible für Blumen und Blumenfotos hat - manche Dinge werden schlicht vererbt :)

Das quirlige Viertel Anafiotika südlich der Akropolos durchstreifen wir mehrfach an den Tagen. Irgendwann in der Geschichte mussten die Tempel der Akropolis renoviert werden und niemand kannte sich aus mit Marmor und Säulen. So lud man einige Inselbewohner ein, die sich am Fuße der Akropolis niederließen. Ihre kleinen, winkeligen Häuser kleben am Hang und werden durch farbenfrohe Treppenstufen miteinander verbunden. Hier gehört sich zu verlaufen zur Pflicht - ein Dorf in der Millionenstadt, welches mit tollen Aussichten und kleinen Details aufwartet.

 

Nun habt Ihr bereits zweimal von der sagenumwobene Akropolis gehört - kommt mit uns mit und erklimmt sie. Die Tickets kosten 10€ und inkludieren im Anschluss einen Spaziergang durchs nebenliegenden Dionysos-Theater. Alle Reiseführer und Blogs empfehlen übrigens ganz zeitig im Morgen die Akropolis zu besichtigen. Wir folgen brav und stehen tatsächlich um 08:00 Uhr an den Einlassschranken. Allerdings befindet sich Athens Massentourismus im März noch im Winterschlaf, so dass die frühe Eile nicht ganz notwendig gewesen wäre. Dennoch ist es schön, auf dem Gelände viele Fotos ohne Menschen schießen zu können. Wir ersparen euch an dieser Stelle einen fundierten historischen Abriss zur Geschichte dieser symbolträchtigen europäischen  Tempelanlage, den wir natürlich alle jederzeit sofort parat hätten. Wie so oft lassen wir Bilder sprechen:

Das nebenstehende Bild bringt Manu übrigens eine starke Rüge von rufenden Aufsehern ein. Die Akropolis sei eine historische Stätte, die mit Respekt zu behandeln ist. Keine Marken, keine Tiere, sondern nur Fotos mit richtigen Personen sind erlaubt. Oha. Manu verzichtet jedoch auf eine ausschweifende Gegenthese, auf welchen Bauwerken dieser Welt unsere kleinen Begleiter bereits posiert haben und zeigt das Foto hier nun trotzdem :)

Nach soviel Kultur gönnen wir uns erstmal einen guten Kaffee - und der ist, die Griechen mögen es uns verzeihen, definitiv nicht der "Greek Coffee". Dieser wird ähnlich dem Türkischen mit Kaffee-Pulver und Zucker langsam auf dem Herd aufgekocht und dann in kleine Tassen umgefüllt - umrühren verboten, denn sonst wirbelt man den gesamten Kaffeesatz unten in der Tasse wieder auf. Und stark ist er auch noch. Nein, wir sind alle vier verwöhnte Kaffeetrinker und die Griechen können hier nur mit ihrem Cappuchino überzeugen.

Umso schmackhafter sind die Bougatstas, gefüllte Blätterteigtaschen, die im Bougatsadiko noch in der hauseigenen Bäckerei im Keller gebacken werden.

Auf unseren Streifzügen durch die Stadt stellen wir fest, dass das Athener Straßenbild noch von Kunst ganz anderer Art geprägt ist - an jeder freien Fläche, an jedem Gebäude, ob genutzt oder verfallen, prangt Graffitti. Wir erinnern uns an die Street-Art in Malaysia zurück, aber leider gibt es in Athen nur wenige Wände, die wirklich kunstvoll gestaltet sind. Der überwiegende Teil ist nix-sagendes Gekritzel, oft mit politischem Einfluss, wenn wir die Worte "crisis" und "democracia" lesen. Wir sind uns einig, dass es die Stadt mit den meisten Graffittis ist, in der wir jemals waren und es mag spießig klingen, wenn wir der Meinung sind, dass es in der überwiegenden Form einfach nur das Stadtbild verschandelt. Nun haben Griechenland und Athen sicherlich zunächst grad andere Probleme zu lösen als ihre Wandflächen zu säubern. Falls man jedoch auf Städtetourismus abzielt, wirkt es im Gegensatz zu anderen europäischen Metropolen einfach nur aggressiv und wenig anziehend.

Ein weiterer Punkt, der uns negativ beim Stadtrundgang auffällt - in jedem Restaurant mit Außenbestuhlung werden Passanten (egal ob Touristen oder Griechen) von den Kellnern angesprochen, ob wir nicht bei ihnen Gyros, Souvlaki und Vino genießen möchten. Es gleicht etwas einem Spießrutenlauf und "nur mal in die Speisekarte schauen" klappt unkommentiert nicht. Wir sind froh, aus unserer Airbnb-Unterkunft noch den Zettel mit Restaurant-Empfehlungen abgeschrieben zu haben und landen tatsächlich an charmanten, kleinen Gastronomien. Als besonderer Tipp ist hier das Η Αυλη (Havli)  zu nennen - von der Straße draußen verrät nur ein kleines Schild den Eingang - wir durchqueren eine überdachte kleine Gasse zwischen zwei Häusern und finden uns direkt im "Restaurant" wieder. Überall sind Stühle und Tische aufgestellt, eine Katze schlendert um unsere Beine und die kurze Speisekarte überzeugt mit einfachen Gerichten. Ausprobieren und Wohlfühlen !

Manchmal ließen  wir uns jedoch auch einfach der Nase nach leiten und so entdeckte Anjas Papa ein Straßenbistro in einer dunklen Seitengasse. Auch wenn selten so wie hier alle Gerichte auf einer Speisekarte noch vorrätig sind, so sind die Griechen stets freundlich und empfehlen uns mit etwas Englisch und viel Mimik die leckersten Dinge. Hier begnügen wir uns mit vier Pitas (2x mit Fleisch, 2x vegetarisch), trinken kühles Bier und sitzen auf der Straße - in Deutschland wäre so eine Art der Bestuhlung durch jegliches Ordnungsamt verboten worden.

In Athen haben wir häufig das Gefühl, die Athener machen alle was sie wollen und genießen ihr Leben. Die Restaurants und Bars sind abends gut gefüllt - was soll man auch zu Hause seine oftmals schlechte berufliche Situation betrauern ? Mit einem Glas Ouzo unter Freunden lässt es sich auswärts gemeinsam besser klagen.
Auch wenn insbesondere Manu sich seit längerem drauf freut - der plötzliche Konsum von Fleisch ist erstmal eine kleine Überforderung für den Körper. Auf unserer Radtour werden wir uns vermutlich wieder weitesgehend vegetarisch ernähren, daher sind die Schlemmereien in den ersten Tagen hier durchaus erlaubt. In allen Ländern unserer Reise haben wir Märkte und Markthallen besucht - wir könnten übrigens mal ein Markthallen-Foto-Quiz mit euch veranstalten *notiert*. In Athen gibt es neben einem überschaubaren Obst- und Gemüsemarkt eine große Markthalle, in der die Metzger ihre Waren anbieten. Für uns überraschend hängen hier ganze Tiere, nur Köpfe oder nur Innereien, alles recht sauber und hygienisch dargeboten. In Deutschland verlieren viele Menschen den Zusammenhang zwischen Tier + Steak - ein Besuch in der Athener Markthalle ist allen empfohlen, die sich alldem vergewissern und mit gutem Gefühl Fleisch kaufen möchten.

Häufig haben uns besonders hohe Aussichten von Bergen, Gebäuden oder Hügeln auf unserer Reise fasziniert. Umso schöner, dass auch Athen hier neben den kleineren Hügeln um die Akropolis noch einen Must-See-Aussichtsberg hat, den XYLykavittos. Er ist 277m hoch und man könnte ihn mit einer Standseilbahn (4,50€) erklimmen. Von der Talstation sind es jedoch auch nur 75 Höhenmeter auf einem tollem Spazierweg in luftige Höhen. Die Aussicht ist wirklich fantastisch und wir erkennen viele Orte im Stadtbild wieder, die wir in den letzten Tagen besichtigt haben.

Für die Erkundung von Athens Nachtleben waren wir offen gesprochen zu müde. Wir genossen es, abends in der Unterkunft gut zu kochen/bekocht zu werden und nach und nach Anjas Eltern Geschichten der letzten Monate zu erzählen. Damit jedoch niemand uns nachher fragt, ob die Akropolis auch nachts beleuchtet sei und wir nur die Schulter zucken müssen, entschieden wir uns noch für einen Nachtspaziergang der Free-Walking-Tour Organisation an. Die Tour war "in Ordnung", leider war unsere Führerein viel zu schnell physisch und mit ihren Gedankensprüngen, so dass wir manchmal nur schwer folgen konnten durch das Auf und Ab Athens Treppenstufen und seiner Geschichte. Aber zumindest die Frage der Beleuchtung konnten wir zweifelsfrei klären:

Zum Schluß haben wir noch eine weitere gute Nachricht an dieser Stelle : Wir haben unsere Radausrüstung komplett. Manu hatte sich seit mehreren Wochen mit Fahrrädern und Fahrradhändler in Athen beschäftigt. Etwas komfortabler und leicht sollte es sein, Gepäcktaschen tragen können und ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis bieten. Die Wahl vor Ort war dann leider ziemlich schwer, weil die Radläden weit auseinander lagen und nur wenig Auswahl im qualitativ höheren Trekkingrad-Bereich anboten. Leider hat Manu auch so seine besonderen Vorstellungen und Erfahrungen mit Zweirädern- vielleicht hätte am Ende auch ein 200€ Baumarkt-Rad gereicht, aber in der Regel gilt hier: wer billig kauft, kauft zweimal + hat keinerlei Spaß beim Radfahren.
Lange Rede, kurzer Sinn - wir wurden fündig. Bei mehreren Fahrradhändler erstanden wir noch notwendige Ausrüstung  (Helm, Tachos, Bar-Ends, Trinkflaschenhalter, Fahrradhose, Handschuhe) und mit einem Fahrradladen wurde Manu sich einig - ein Cube Nature Pro aus dem Jahr 2017 in der verrückten Farbe "reefblue-orange" ist sein neues Gefährt. Mit einem guten Gepäckträger und ausgestattet mit 30 Gängen kann das Abenteuer losgehen. Zeitweise wirkte unsere Unterkunft wie eine Fahrradwerkstatt, da wir gleichzeitig Anjas Fahrrad wieder zusammenbauten und mit Teilen ergänzten. Umso schöner, dass unsere Bestellung bei Manus Papa mit den restlichen, vorhandenen Fahrradsachen alles ideal ergänzt und wir startbereit sind für die längste Radtour in unserem bisherigen Leben :)

Efcharisto Athen für die gute Aufnahme in Europa und einen kleinen Einblick in deine Geschichte - als Naturmenschen freuen wir uns jedoch nun auf viel Landschaft und weniger Stadt in den kommenden Wochen.

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