· 

Ulan-Bator - Eine Metropole der Gegensätze

Auf den ersten Blick wirkt Ulan-Bator wie ein viel zu schnell gewachsenes Moloch aus Hochäusern, Baustellen, Verkehrschaos und urbanen Sünden. Auf den zweiten, dritten und vierten Blick erleben wir immer wieder Überraschungen. Während die ersten Tage hauptsächlich für organisatorische Dinge genutzt wurden und wir die Stadt nur im Schnelldurchlauf und quasi beim Kümmern kennenlernten, haben wir die letzten drei Tage genutzt, um  die Vorzüge der Großstadt zu genießen und Ulan-Bator auch noch einmal auf entspannte Art und Weise kennengelernt. Nebende dem Beobachten der Einheimischen liefen wir auch mal durch die dritte und vierte Straße Nebenstraße zu laufen und haben uns nebenbei ein wenig ausgeruht.
Geographisch, kulturell und politisch schlägt das Herz der Mongolei in UB (wie Ulan-Bator umgangsprachlich genannt wird): Wir lassen uns drauf ein und besuchen  das Nationalmuseum (Reise durch die Geschichte des einstigen Hunnenreichs - zugegebenermaßen nutzen wir einen Regentag dafür) und verbringen einige Stunden im Gandan-Kloster, dem größten buddhistischen Kloster des Landes inkl. Klosterschule. Fasziniert von dem Gemurmel der  Mantren lesenden Jungmönche und dem Trommelschlägen lassen wir uns von Tempel zu Tempel treiben. Im größten Tempel sind wir ganz angetan von einer 26 Meter hohen vergoldeten Statue... es ist immer wieder schön, sich überraschen zu lassen von Unerwartetem!

Im Stadtviertel um das Kloster reihen sich sternförmig unzählige kleine, unbefestigte Gassen, in denen die Familien rechts und links des Weges in kleinen, eingezäunten Grundstücken in ihren Jurten leben. Über den Hof - in ein paar Metern Entfernung - steht ein Holzverschlag: Das Plumpsklo. Blickt man über den Zaun nach Südosten, dann kratzen dort die Hochäuser am Himmel. In den gläsernen Fassaden spiegelt sich das Sonnenlicht. Luftlinie befindet sich das Jurten-Viertel nur ein paar hundert Meter entfernt vom Botschafts-, Banken- und Vergnügungsviertel. Zwei Welten prallen aufeinander. Tradition und Moderne sind sich in Ulan-Bator (noch) sehr nah und doch irgendwie auch so fremd: Vormittags Besuch im Kloster, dann Spaziergang zur Uni, Kaffee auf dem Hauptplatz auf den Treppenstufen des Parlamentes mit Blick auf dei Skyline und Abends dann verrückte Moves beim Elektro-Hip-Hop-Tanz-Wettbewerb der Jugend von UB in der Seoul-Street. Ein Absacker-Bier gibt's im irischen Pub. Was für ein Tag! Ulan-Bator hat viele Gesichter, die es durchaus wert sind, entdeckt zu werden ... auch wenn die Fasssade wenig einladend wirkt.

Auch kulinarisch hat es Ulan-Bator gut mit uns gemeint: Wir sind vom Mongolischen Barbecue begeistert: Im Altai Grill-Restaurant schwelgen wir im siebten Himmel. Am Buffet wählen wir aus den frischen Zutaten aus (Gemüse, Gemüse, Gemüse und für Manu auch hauchdünn geschnittenes Fleisch sowie Gewürze und Soßen), reichen die beiden Schalen (Gemüse, Beilage, Fleisch und Gewürze in der einen, die Soße in der anderen) dem jungen Grillmeister, der an einem heißen Stein mit Meisterhand und Eleganz die ausgewählten Zutaten auf einem im Durchmesser messenden 3-Meter großen Stein grilliert. Es duftet, brutzelt und räuchert, er schwingt die Pfannenwender und jongliert mit den Schüsseln. Ein paar Minuten später stehen dampfende Schüsseln vor uns und wir freuen uns wie die Schneider. Dazu gibt es noch ein Buffett mit frischen Salaten, anderen warmen Gerichten, weiteren Beilagen, gefüllten Nudeln und - wir sind ja schließlich in der Mongolei: Schafskopf. Bei letzterem rümpfen wir die Nase und wundern uns mal wieder über die mongolischen Essgewohnheiten. Zum Nachtisch steht eine Eistruhe bereit. All das für umgerechnet gerade mal 9 Euro. Wir besuchen den Altai-Grill zweimal: beim zweiten mal wird unsere Schlemmerei von Weihnachtsmuseik in Dauerschleife untermalt. Wir sind ein wenig irritiert und fragen uns, ob die Angestellten im Restaurant den wohl wissen, dass es sich um westliche Weihnachtsmusik handelt. Wahrscheinlich nicht.

Neben dem Grill-Restaurant erfreuen wir uns in Ulan-Bator an den wirklich hervorragend ausgestatteten Supermärkten: Noch nie haben wir in einer derart internationalen Warenvielfalt schwelgen können wie hier in der mongolischen Hauptstadt: Fast das gesamte Sortiment ist importiert. So gibt es Gut&Günstig-Produkte, Haribo, Süßwaren jeglicher Art, Eingemachtes, Barilla-Nudeln, ... Gleiches gilt für die russische und die asiatische Küche: Koreanisch, Japanisch, Chinesisch. Die Regale sind voll mit Produkten aus aller Welt. Internationalität hat sich auch bei der Kaffeehaus-Szene etabliert: Im österreichischen Kaffee gönnen wir uns Apfelstrudel und in der französischen Bäckerei ums Eck Apfeltörtchen und Feigen-Wallnuss-Brot. Die mongolischen Baristas haben ihr Werk (oft mit deutlich spürbarer Anspannung und Konzentration) gelernt: Americano - Latte - Cappuchino. Was darf es heute sein?

Dass wir für unsere in Tugriks abgehobenen Euros in Ulan-Bator ziemlich gut leben können, merken wir auch im Besuch der Sky-Bar, einer Lounge im 23. Stock eines mondänen Hchhauses in Halbmondform, in die man mit einem gläsernen Fahrstuhl hinauf fahren kann. Eigentlich wollten wir nur mal hochfahren und einen Eindruck von "UB von oben" bekommen. Und vielleicht die Stimmung zum Sonnenuntergang einfangen. Schon die Waschräume (befinden sich zwischen Fahrtstuhl und Restaurant) ermöglichen einen spektakulären Blick nach unten: Rundherum verglast können wir in die Tiefe und Ferne blicken. In der Sky-Bar ist noch nicht viel los, als wir ankommen. Ein kurzer Blick in die Getränke-/Speisekarte und wir wissen: Hier wollen wir länger bleiben. Den Sonnenuntergang beobachten, das Farbenspiel über der Skyline betrachten. Die Nacht hereinbrechen sehen. Wir bestellen zwei große, frsch gezapfte Bier und einen großen Korb Kartoffelspalten. Dieser kleine Luxus kostet umgerechnet ca. sechs Euro. Ulan-Bator - hier dürfen sich auch Rucksackreisende in Outdoor-Klamotten fühlen wie die Reichen und Schönen.

Ulan-Bator ist ein großer Marktplatz, auf dem es schier alles und nichts zu kaufen gibt. Man muss nur wissen, wo. Während wir uns in den ersten Tagen in der Hauptstadt um die Vorbereitung unserer Fahrradtour gekümmert haben, nutzten wir die letzten beiden Tage, um auch mal einfach so durch die Geschäfte zu bummeln und nach Wollmützen, - schals, - decken, Postkarten, T-Shirts und was das Herz sonst noch so begehrt Ausschau zu halten.
Zwei Institutionen sollte sich kein Reisender, der in Ulan-Bator stoppt, entgehen lassen, da hier zwei Herzen der Stadt schlagen und das Leben pulsiert: Den Schwarzmarkt und das große Kaufhaus namens State Department Store. Über den Schwarzmarkt streunern wir mit dem Ziel, fehlende Dinge für unser Radtour zu erstehen (mit Erfolg), das mehrstöckige Kaufhaus wird diverse Male durchkämmt.
Auf dem Naran-Tuul-Markt, einem riesigen Areal mit kleinen Buden, unzähligen ankommenden und abfahrenden Minibussen, Schiffscontainern, Planen, Gängen und Hallen wimmelt es nur so von Einheimischen. Touristen sehen wir kaum. Und hier gibt es scheinbar alles zu kaufen, was der Mongole so zum Leben braucht: Klamotten (chinesische und traditionell mongolische), Taschen, Küchenutensilien, Teppiche, Plastikkanister, Seile, Sättel, Stiefel. Wir irren erst ein wenig umher in der Suche nach einem Zelt und fragen uns dann durch: Und siehe da - man ist behilflich und lotst uns in die richtige Richtung. Die Auswahl an Zelten ist nicht groß, aber groß genug für uns. Wir entscheiden uns nach Abwägen und ein bisschen Feilscherei für ein doppelwandiges Drei-Personen-Zelt mit Aluminium-Gestänge und kleines Vorzelt. Bei einem Seiler erstehen wir drei Meter Seil für 20 Cent.

Im State Department Store gibt es dagegen alles für die "urban people" (die manchmal betonen, dass sie nicht zu den "rural people" gehören) : Schmuck, einen Supermarkt mit Import-Ware, feinste Kaschmir-Strickwaren. Rolltreppe um Rolltreppe schrauben wir uns nach oben: Im obersten Stockwerk sind all die in der Mongolei erhältlichen Souvenirs in Hülle und Fülle zu haben. Wir durchstreifen die Regalreihen mit Neugier und - je weiter wir kommen - auch mit Verwunderung: Wo bei den Karten (hier erstehen wir zwei Exemplare) und Postkarten noch Freude herrscht, kommen bei den Pelzen und Nerzen Zweifel auf. Wie würde wohl der deutsche Zollbeamte reagieren, wenn so ein Stück auf dem Weg nach Hause wäre? Wahrscheinlich wenig amüsiert.
Die Hauptstraßen Ulan-Bators sind undurchdringlich. Blechlawinen scheiben sich durch die Verkehrsadern, es wird gehupt, geschmipft und gedrängelt. Der Stärkere kommt um einige Autolängen schneller ans Ziel - manchmal scheint es uns, dass die Mongolen als Steppenvolk mit sovielen Pferdestärken schlicht noch überfordert sind.  Nachdem wir bei unserer Fahrt zurück von Naran Tuul Markt ins Zentrum für die zwei - drei Kilometer fast 45 Minuten gebraucht haben und das Gebahren der Fahrer auch mal aus der Perspektive "von der Straße" kennen gelernt haben, entscheiden wir uns, aufs Fahren zu verzichten und lieber zu Fuß zu gehen, dauert genauso lange - ist aber gesünder - und meistens gibt es mehr zu sehen. Um des Verkehrs mächtig zu werden, gibt es wohl : Fahrzeuge mit graden und ungerade Nummernschildern wechseln sich ab - so erzählt man uns. Wir können jedoch auch bei genauerem Beobachten kein System erkennen.

Apropos Straßenverkehr: Noch nie haben wir so viele Hybrid-Fahrzeuge wie in Ulan-Bator gesehen. Gefühlt ist jedes zweite Fahrzeug ein Toyota Prius. Wir witzeln ein bisschen darüber - ist es doch außerhalb der mongolischen Hauptstadt nicht gerade das nützlichste Fortbewegungsmittel aufgrund der wenigen asphaltierten Kilometer - auf der anderen Seite sind wir froh, dass in der Stadt der Smog und die Geräuschkulisse etwas gelindert wird.
Wenn wir über Ulan-Bator schreiben, dann darf zum Abschluss ein Stichwort nicht fehlen: Baustellen. Es wird tüchtig gewerkelt und in die Höhe und in den Süden gebaut. Der Fluss Tuul (dem wir entland des Südufers gefolgt sind, um zurück in die Stadt zu kommen) ist zurzeit noch wenig in das Stadtbild integriert, doch es wird in großem Stil gebaut. Hotels und neue Wohngegenden werden am südlichen Stadtrand (begrenzt durch das angrenzende Gebirge Bigd Khan) aus dem Boden gestampft. Rund um den sozialistisch anmutenden Aussichtshügel Zaisan wird der neu geschaffene Wohnraum wohl schon bald belebt. Von den Werbebannern blickt uns eine sechsköpfige Familie lachend entgegen. In Ulan-Bator wird wohl noch einiges passieren!

Und nun? Wie geht es weiter bei den Glücksreisenden?
Morgen starten wir auf eine voraussichtlich (Warum voraussischtlich? Hier in der Mongolei ergibt sich immer alles irgendwie und fast jeder Plan ändert sich noch ein oder zweimal vor Umsetzung) 10-tägige Tour in Richtung Süden. Wir wollen raus aus der Stadt und der Kälte und die Gobi-Wüste und die Zentralmongolei bereisen. Am 23. September rollt um 07:30 Uhr der Zug gen Peking. Die nächsten Bilder gibt es also erst erst nach Rückkehr.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0