Nach drei Tagen in Ulan-Ude sind wir nun wieder voller Tatendrang und blicken Richtung Mongolei. Es war eine gute Idee, hier etwas Zeit zu verbringen, Wäsche zu waschen, Texte zu schreiben, Fotos
zu sortieren und schlicht eine ziemlich entspannte russische Stadt zu erleben. Ulan-Ude war stets Transit-Ort, weil sich hier die transsibirische Eisenbahn verzweigt - entweder geht es weiter
Richtung Pazifik nach Vladiwostok oder, wie unsere Route, weiter Richtung Mongolei und Peking. Die Bahnfahrt vom Baikalsee hier her verlief sehr entspannt und wir genossen das letzte Mal das
russische Bahnfahren - ausreichend Platz, Ruhe und diesmal ein russischer Schaffner, der uns mit ein paar Brocken Englisch/Deutsch erzählte, dass er mal Fernfahrer von großen Elektroden nach
Deutschland und Italien gewesen sei - wenigstens interpretierten wir dies aus seinen Worten, die ansonsten zu 99% auf Russisch waren. Ulan-Ude empfing uns mit Sonne und Wind. Es gibt hier nicht
viele Dinge zu tun - der weltgrößte Lenin-Kopf schaut über einen großen Platz, es gibt sogar eine nette Fußgängerzone und alles wirkt deutlich aufgeräumter und strukturierter als in Irkutsk. Wir
sind im burjatischen Teil Russlands angekommen. Früher war Burjatien ein eigenes Gebiet - die Region westlich des Baikalsees wurde christianisiert, die hier östlich ist der Mongolei eher
zugewandt und der Buddhismus wurde Leit-Religion vermischt mit Schamanismus. Für uns war unter anderem ein Grund für die Zugreise, langsam die Veränderung der Gesichter der Menschen wahrzunehmen
- asiatische Züge prägen hier bereits die meisten Einwohner, wobei sie weiterhin russisch sprechen.
Die Orientierung in Ulan-Ude fällt leicht und wir fahren mit dem Bus zu einem buddhistischen Kloster auf einen Berg für einen Überblick über die Stadt - sanfte Musik, viel Fernsicht und uns
beiden gefällt das Gefühl, dass wir später auf der Reise in Tibet und Nepal auf ähnliche Stätten mit Fahnen, Stupas und entspannter Musik treffen. Für Manu ist es das erste Mal, dass er
Gebetsmühlen dreht, Anja kennt dies bereits aus ihrer letzten Reise in Nepal.
Das Leben im Hostel steht und fällt mit den Menschen um uns herum - wir treffen zwei Schweizer Mädels (Fabienne und Ann-Sophia), die mit recht straffen Zeitplan reisen, wobei Ann-Sophia Richtung
Japan unterwegs ist, um dort weiter zu studieren - beide können russisch, so dass wir gemeinsam entscheiden, in ein mongolisches Jurten-Restaurant in der Umgebung zu fahren. Leider ist dort
geschlossene Gesellschaft, aber es ist für uns schön zuzusehen, wie Ann-Sophia mit anderen Gästen vor der Tür austauscht, die dann noch versuchen uns zur Hochzeit einzuladen, allerdings es wohl
keinen Platz mehr gibt. Anja und ich wären vermutlich achselzuckend wieder davon gefahren. So gab es eine Empfehlung für ein ähnliches Jurten-Restaurant auf der anderen Straßenseite und der Abend
endete wirklich nett mit einem schönem Austausch über Studium, die Schweiz, Leben und Reisen.
Tagsüber erkundeten wir noch das ethographische Museum, eines der größten Freilichtmuseen in Russland. Neben alten Jurten und Holzhäusern fanden wir vor allem eine Theater-/Tanzvorstellung
wunderbar - auf einer Bühne tanzten und scherzten Kinder und Künstler in Trachten, das Publikum amüsierte sich köstlich. Wir verstanden zwar nichts, aber es war dennoch schön zu betrachten. Nach
einer Stärkung mit Gebäck, Kartoffelbrei, Gurken und Blinis, die Anja wieder mit Zeigen und ein paar Worten Russisch erstanden hat, sind wir gespannt auf die kleine "animal-area", die angekündigt
ist. Und sind sehr schnell still und betrübt. Es werden auf kleinem Raum alle sibirischen Tiere "ausgestellt". Neben Schafen und Rehen auch Luchse, Bären, Tiger und ein Kamel. Die Tiere sehen
zwar nicht verwahrlost aus, aber die Käfige sind schlimm und wir sehen auch niemanden, der die Besucher ermahnt, wenn sie wieder Kekse oder sonstwas in die Käfige werfen. Zoos sind aus diversen
Gründen wichtig, aber aufgrund dieser Umstände hier sollte man das Freilichtmuseum eigentlich schließen und allen davon abraten. Manu wird bei TripAdvisor und Google noch entsprechende
Bewertungen verfassen und hofft auf den Druck der Gemeinschaft der Reisenden, hier etwas zu bewirken. Wir fahren "heim" in die Stadt und ruhen aus.
Der Abend wurde dann noch sehr heiter, den es gab es eine wirklich verrückte Begegnung. Heinrich, ein sehr sympathischer Bauingenieur aus Hannover, auch mit viel Zeit und entspannten
Einstellungen zum Reisen sitzt mit uns in der Küche. Wir plaudern über dies und das und dann erscheint ein koreanischer junger Mann. Er spricht recht passabel Deutsch, weil er in Korea
Germanistik studierte, wir sind jedoch die ersten Deutschen, die er wirklich trifft. Er ist Sprint-Coach für Leichtathletik und möchte in Ulan-Baator die Mongolen zu Sprintmeistern machen, da er
Potential in deren Körpern sieht. Sein Ziel ist es, den 100m und 200m Rekord in der Mongolei mit den Athleten zu unterbieten, bei den kommenden Asien-Games Fortschritte zu machen und dann 2019 in
Südkorea bei Olympia die Mongolen als Coach anzuführen. "Nebenbei" möchte er gerne nach Deutschland, nach Göttingen oder Heidelberg, um dort Philosophie, Mathematik und Theologie zu
studieren. Die Sporthochschule Köln findet er auch spannend. Er hat zudem in Korea Nietsche und Kant gelesen und schwärmt für Ludwig Wittgenstein - wir drei fühlen uns ziemlich ungebildet
und zollen im Respekt für die Energie. Den privaten Masterplan hat er übrigens auch - wenn das mit der Leichtathletik-Coach-Karriere klappt, wird er 2019 eine südkoreanische Eiskunstläuferin, die
gerade sehr berühmt ist und bereits Medaillien bei Olympia gewonnen hat, zur Frau nehmen. Dafür muss er sich nur anstrengen und sie kennenlernen - sie hat aber dann Zeit, weil ihre Karriere dann
sowieso langsam vorbei sei. Wir drei amüsieren uns gut, aber bewundern auch seine Ziele - und werden 2019 bei Olympia mal schauen, ob mongolische Sprinter an den Start gehen und wer an der
Seitenlinie anfeuert :)
Die Zeit in Ulan-Ude nutzten wir auch bereits für unsere Mongolei-Vorbereitungen. Es ist nun schön, weiter zu reisen und weiter in die Natur einzutauchen. Wir sind beide etwas unsicher, was
organisierte Reisen angeht und tüfteln derzeit etwas aus, was unserem individuellen Freiheitsdrang doch eher entgegenkommt - bleibt also gespannt und freut euch mit uns auf die Mongolei :)
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Lieblingsonkel (Sonntag, 27 August 2017 14:16)
Ich habe alle eure Artikel gelesen und bin begeistert. Vielen Dank für die anschaulichen Berichte. Weiterhin alles Gute.
Harald (Dienstag, 29 August 2017 13:39)
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